Basel. Schweizer Schokolade, Schweizer Käse, Schweizer Uhren - damit
lässt sich im Ausland Geld verdienen. Weltweit bekannt ist die Schweiz aber auch für ein weniger fassbares Produkt: ihre direkte Demokratie. In kaum einem anderen Land gibt es so viele Abstimmungen und Wahlen, die gleichzeitig so präzis wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren und deren Durchführung absolutes Vertrauen im Volk geniesst.
Von Tobias Bossard
Darin wittert der 50-jährige Basler Beat Fehr ein Geschäft: Er möchte das Schweizer Wahl- und Abstimmungssystem weltweit vermarkten. Wie «Swiss Watch» oder «Swiss Chocolate» soll das Label «Swiss Voting System» zum Exportschlager werden.
Die Idee dazu kam Beat Fehr vor vier Wochen, als er im Radio einen Bericht über die US-Präsidentschaftswahl hörte: In Amerika würde derzeit diskutiert, ob UN-Beobachter die Wahl im November überwachen sollen, damit alles korrekt abläuft; zudem hätten die USA rund 4 Mrd. Dollar ins Wahlsystem investiert, damit es nicht wieder zu einem Debakel wie vor Jahren kommt, als mehrere Monate unklar war, ob nun Al Gore oder George W. Bush künftig Präsident der USA sein wird. «Wenn so viel Geld für eine Wahl ausgegeben wird, ist das ein riesiger Markt», dachte sich Beat Fehr. «Und statt Beobachter der UNO könnten doch solche aus der Schweiz für das nötige Vertrauen sorgen und den Amerikanern gleich noch zeigen, wie einfach und kostenkünstig das Schweizer Wahlsystem ist.»
Bereits ein Dutzend Mitarbeiter
Als Beat Fehr, der seit 20 Jahren im Bereich für Konstruktionssoftware (CAD) tätig ist, seine Idee in seiner 10-Personen-Firma CADiware präsentierte, reagierten die Kollegen unterschiedlich: Einige fanden die Idee genial, andere völlig absurd. Trotz vielen Vorbehalten liess sich Beat Fehr nicht beirren: In den vier Wochen seit dem Radiobericht hat er bereits eine Firma gegründet und zwölf Leute angestellt, darunter Politikwissenschaftler, Juristen, Ingenieure und Studenten. Auch hat er mehrere Internet-Adressen reserviert und die Marke «Swiss Voting System - Freedom of Voting» schützen lassen. Finanziert wird das alles mit dem Gründungskapital der Firma von 100 000 Fr., das grösstenteils von Beat Fehr und anderen Teilhabern einbezahlt wurde. Ein wenig lang geraten ist der Name der Firma, da die Kurzform nur mit einem Zusatz zugelassen wurde: «Swiss Voting System - a private Company AG».
Tag und Nacht haben Fehr und sein Team in den letzten Wochen recherchiert, das Internet durchforstet sowie die verschiedenen Wahl- und Abstimmungssysteme der Schweizer Kantone und Gemeinden studiert und das beste System herauskristallisiert. Die daraus entstandenen Richtlinien will Fehr nun verkaufen, an all jene staatlichen Organisationen in den USA, die Wahlen und Abstimmungen durchführen. Zudem möchte Fehr mittelfristig Wahlberatung anbieten und langfristig das Label «Swiss Voting System - Freedom of Voting» einführen. Dieses soll wie ein Qualitätszertifikat wirken: Wahllokale oder Gemeinden mit diesem Label wird eine effiziente und korrekte Wahlorganisation bescheinigt.
«In der Schweiz ist das Vertrauen in unser Wahlsystem derart gross, dass wir uns gar keine Gedanken darüber machen», sagt Fehr. Darum sei wohl auch bisher niemand auf die Idee gekommen, in diesem Bereich tätig zu werden. In den USA hingegen, der Mutter aller Demokratien, seien die Wahlen extrem kompliziert und teuer strukturiert. «Wenn die Schweiz ihre vielen Wahlen und Abstimmungen so organisieren würde wie in Amerika, dann wären wir längst bankrott.»
Vom Wahlzettel bis zur Zählung
Details über die ausgearbeiteten Richtlinien, wie die ideale Wahl oder Abstimmung organisiert wird, möchte Beat Fehr nicht Preis geben. «Denn dies ist ja unsere Leistung, die wir verkaufen möchten.» Klar sei aber, dass alle Prozesse von der Ausgestaltung des Wahlzettels über die Stimmabgabe bis zur Auszählung und Ergebnisübermittlung an die übergeordnete Behörde genaustens fesgehalten wurden. «Gerade der Wahlzettel von Florida hat bei der letzten Wahl in den USA ja für riesigen Ärger gesorgt», sagt Beat Fehr. «Einige konnten diesen erst gar nicht lesen, andere haben das Loch bei der falschen Person gemacht. Und beim Zählen kam es auch zu Unregelmässigkeiten.»
Bis jetzt hat die Firma nur Geld ausgegeben. Nun aber sei man bereit für den offiziellen Start, so Fehr: Nächste Woche werden die breite Öffentlichkeit informiert und die Internet-Seiten aufgeschaltet. Mit einer E-Mail-Aktion und anderen, noch zu definierenden Marketingaktivitäten will die Firma, verstärkt durch einen Mitarbeiter in den USA, auf Kundenfang gehen und das «Swiss Voting System» anpreisen.
Top oder Flop
Beat Fehr ist sich bewusst, dass die Zeit knapp ist, da die Präsidentschaftswahl bereits im November stattfindet. Trotzdem erhofft er sich in den nächsten Wochen Aufschluss darüber, ob sich seine Idee zu Geld machen lässt. Falls ja, sei eine Ausdehnung auf andere Nationen problemlos denkbar, meint Fehr. «Falls nicht, dann war die ganze Aktion eben einfach eine tolle Erfahrung - wenn auch eine kostspielige.»
www.swissvotingsystem.ch (ab nächster Woche)